1. August 2025
01.August 2025
Aus der britischen Upperclass scheint eine Anrede nach Deutschland gelangt zu sein, die sich hier in abgewandelter Form großer Beliebtheit erfreut. Es geht um die Kombination eines Vornamens mit „Sie“, zum Beispiel beim Frisör: „Bitte schneiden Sie nur die Spitzen, Laura.“ Zugleich erwartet der Kunde für sich die Anrede „Herr Müller“. Völlig selbstverständlich, seltsamerweise auch für Laura, erfolgt hier eine sprachliche Herabsetzung, als ginge es um eine Untergebene.
Im Büro entscheidet die Branche über die Wahl der gesprochenen Anrede: Ein „Hallo“ und ein „Du“ wirken locker und sind in der kreativen Szene oder kleinen bis mittleren Unternehmen üblich. Businessetagen von Banken, Konzernen, Versicherungen sowie Verwaltungen bevorzugen „Guten Tag“ oder „Guten Morgen“ und „Sie“. In Sport, Handwerk, Mode, Schule und Uni überwiegt wiederum das „Du“, sofern Angehörige einer Gruppe sich untereinander verständigen, zum Beispiel Studierende. Der Einzelhandel hat seine eigene Form ausgebildet, indem er versucht, mit der Vorgabe von oben umzugehen, sich vor Kunden zu siezen: „Frau Suhrbier, kannst du mal an die Kasse kommen?“ Umgekehrt neigen manche Kunden dazu, ein direktes „Du“ zu vermeiden, ohne an Lässigkeit einzubüßen: „Könnt ihr mir das Buch bestellen?“
Zumindest in München gehören förmliche Anreden zum guten Stil, zum Beispiel gegenüber Franz von Bayern, gerne in Begleitung eines angedeuteten Bücklings: „Seien Sie gegrüßt, Königliche Hoheit.“ Träger akademischer Titel dürfen in Bayern auf deren ausdrückliche Nennung in der gesprochenen Anrede ebenfalls vertrauen: „Frau Professor Meier“ oder „Herr Doktor Schmidt“. Woanders legt man in der Uni und deren Umkreis eher Wert auf Understatement, das heißt: Der Titel wird als bekannt vorausgesetzt und entfällt daher in der mündlichen Anrede. Liegen zwei Titel vor – Doktor und Professor –, genügt zumindest für die schriftliche Anrede der höhere Titel, also „Frau Prof. Meier“. Den bayerischen Stil habe ich inzwischen so verinnerlicht, dass mir ein Professor und Kunde aus dem Ruhrgebiet scherzhaft schrieb: „Wenn Sie mich nochmals so anschreiben, hören Sie nie wieder etwas von mir!“
In der schriftlichen Anrede unter Freunden und innerhalb der Familie ist das Du üblich. Im beruflichen Alltag ist jeder mit „Sehr geehrte Frau …“ und „Sehr geehrter Herr …“ auf der sicheren Seite, weil darin eine gewisse Distanz zum Ausdruck kommt. Kennt man sich – dieser Zeitpunkt ist bei einigen rasch erreicht –, ist auch „Hallo, Frau Koch“ oder „Guten Tag, Herr Huber“ inzwischen akzeptiert. Eine mir unbekannte Interessentin schrieb: „Liebe Kirsten, könntest du mir bitte ein Angebot machen?“ Im Telefonat fragte ich sie, wie sie auf das Du gekommen sei. Sie meinte, ich sähe so aus, als dürfe man mich duzen. Darüber habe ich mich gefreut, denn es stimmt.
Immer wieder herrscht Ratlosigkeit, in welchem Fall die Personalpronomina „Sie“, „Ihr“ oder „Ihnen“ und „du“, „dir“, „dich“, „ihr“ oder „euch“ groß oder klein beginnen. Das Mysterium kann ich hier auflösen: „Sie“, „Ihnen“ und „Ihr“ beginnen immer groß, um den damit verbundenen Respekt zu betonen: „Sie erhalten anbei ein Foto“, „Ich komme Ihnen gerne entgegen“ und „Ihr Text gefällt mir sehr“. So auch bei den Royals, falls jemand ihnen schreiben möchte: „Seine Majestät“, „Eure Hoheit“. Auch „das Du“ als solches beginnt groß.
„Du“, „dir“, „dich“, „ihr“ oder „euch“ werden in erster Linie kleingeschrieben, sofern das Pronomen nicht am Satzanfang steht wie hier. Nur wenn eine Korrespondenz in Briefen, E-Mails oder Textnachrichten vorliegt und darin eine höfliche Distanz zum Ausdruck kommen soll, kann eine Großschreibung erfolgen: „Deine Babette“.