1. Juli 2024
01.Juli 2024
In der deutschen Sprache gibt es das generische Maskulinum. Das bedeutet: Die maskuline Form wird sowohl für Männer als auch für Frauen verwendet. Erwähnt man im Gespräch beispielsweise „Kollegen“, so sind Kolleginnen mitgemeint. Empirische Studien weisen jedoch auf den engen Zusammenhang von Sprache und sozialer Wirklichkeit hin. Ihnen zufolge ist das generische Maskulinum mit Vorstellungen zum sozialen Geschlecht verbunden. Frauen werden demnach gedanklich nicht in einen bestimmten Sachverhalt einbezogen, während Männern sowohl sprachlich als auch gedanklich das größere Gewicht zukommt.
Im entbehrungsreichen Alltag der Nachkriegszeit war die gesetzliche Gleichberechtigung von Frauen zunächst kein Thema. Erst in den 1970er-Jahren hat die Frauenbewegung lautstark bestimmten Forderungen Nachdruck verliehen, um sich gegen Sexismus und die Dominanz von Männern zu wehren. In den 1990ern etablierten sich dann an Unis verstärkt Frauen- und Geschlechterforschungszentren („Gender Studies“) sowie die Feministische Linguistik. Die Frage der Gleichberechtigung ist in der öffentlichen Diskussion weiterhin aktuell, wie zuletzt die MeToo-Bewegung infolge des Weinstein-Skandals 2017 gezeigt hat.
Das „Gendern“ oder die „geschlechtergerechte Schreibweise“ möchte eine sprachliche Gleichbehandlung von Männern und Frauen erreichen. Es gibt verschiedene Formen:
Der Unterstrich heißt „Gendergap“. Neben dem Sternchen (auch Asterisk genannt) und dem Doppelpunkt schließt er alle Geschlechter ein, also nicht nur das weibliche oder das männliche. Andere Genderformen setzen auf Sachlichkeit: Leitung, Mitglied, Person, Mensch, Kollegium.
Die mitunter hitzig geführten Diskussionen für und wider das Gendern hat längst die breite Öffentlichkeit erfasst. Ganz gleich, ob TV-Talkrunde, Stammtisch, soziale Medien oder politische Bühne. So gut wie alle reden mit und zementieren – wissentlich oder nicht – ein Klischee: Wer das Gendern ablehnt, muss von gestern und gegen die Gleichberechtigung der Frau sein. Und wer das Gendern befürwortet, ist fortschrittlich und für die Gleichberechtigung. Doch stimmt das so? Gegner des Genderns führen beispielsweise die schlechte Lesbarkeit von Genderformen an. Insbesondere Blinden und sehbehinderten Menschen, die Texte vorwiegend über das Hören erfassen, bereiten grafische Genderformen Schwierigkeiten. Mit einer Ablehnung der Gleichberechtigung haben diese Gründe nichts zu tun.
Tipp: Informativ ist der Internetauftritt des Leibniz-Instituts für Deutsche Sprache (IDS), der diverse Artikel zum Gendern online bereithält (Suchbegriffe „Gendern“ und „Empirische Genderlinguistik“).
Als Lektorin geht es mir nicht darum, meinen Kunden das generische Maskulinum oder das Gendern vorzuschreiben. Und ich bitte alle um Gelassenheit und Toleranz im Umgang mit diesem Thema. Ohne Widerspruch respektiere ich den Wunsch jedes Kunden, nicht zu gendern. Sofern er möchte, berate ich ihn aber auch, welche Genderform für seinen Text gut geeignet wäre. Zudem stelle ich Unentschlossenen im Rahmen eines Auftrags eine Übersicht der verschiedenen Genderformen zur Verfügung.